Denn grenzenloses Mitleid mit allen lebenden Wesen ist der festeste und sicherste Bürge für das sittliche Wohlverhalten und bedarf keiner Kasuistik, Wer davon erfüllt ist, wird zuverlässig Keinen verletzen. Keinen beeinträchtigen, Keinem wehe thun, vielmehr mit Jedem Nachsicht haben. Jedem verzeihen. Jedem helfen, so viel er vermag, und alle seine Handlungen werden das Gepräge der Gerechtigkeit und Menschenliebe tragen. Der Geschmack ist verschieden; aber ich weiß mir kein schöneres Gebet, als Das, womit die Alt-Indischen Schauspiele (wie in früheren Zeiten die Englischen mit dem für den König) schließen. Es lautet: “Mögen alle lebende Wesen von Schmerzen frei bleiben.”
Arthur Schopenhauer, Über die Grundlage der Moral, 1840